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REMEX

18. September 2025

Falsche Richtung: LAGA-Merkblatt zur Asbestentsorgung

Höhere Deponiemengen absehbar

Saubere Stoffströme sind eine Grundvoraussetzung für hochwertiges Recycling. Das ist eine Binsenweisheit der Recyclingwirtschaft, die auch auf mineralische Abfälle zutrifft. Das Zauberwort liegt im geordneten Rückbau. Dessen Ziel ist es, möglichst sortenrein möglichst viele Abbruchmaterialien in den Stoffkreislauf zurückzuführen – mit dem Effekt, dass natürliche Ressourcen, das Klima und die in Deutschland verfügbaren Deponiekapazitäten gleichermaßen geschont werden.

Regeln ja – aber mit Maß

Bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für das Abfallmanagement ist allerdings Augenmaß von Nöten. Denn wenn die Beteiligten bei der Regulierung über das Ziel hinausschießen, verhindern sie damit Recycling und die Kreislaufführung. Aktuelles Beispiel hierfür ist die neue LAGA Mitteilung 23, kurz M23. Sie soll eine bundesweit einheitliche Vorgehensweise zur Entsorgung von mineralischen Bau- und Abbruchabfällen unter der Berücksichtigung möglicher Asbestbelastungen gewährleisten.

Betroffene Bauwerke und Abfälle

„Die M23 betrifft bei bundesweiter Einführung alle Gebäude, mit deren Errichtung vor dem 31. Oktober 1993 begonnen worden ist“, erklärt Christopher Kuhlmann, Justiziar der REMEX-Gruppe. Bis zu diesem Datum durften asbesthaltige Baustoffe in Deutschland verwendet werden. Danach war das Inverkehrbringen und die Verwendung von Produkten, denen Asbest künstlich zugesetzt ist, in Deutschland untersagt. „Gebäude, deren Spatenstich nach diesem Stichtag stattfand, gelten daher automatisch als asbestfrei.“

In den meisten Fällen befindet sich Asbest in den älteren Gebäuden in Platten aus Asbestzement, die früher in Dächern, Fassaden oder Luftschächten verbaut worden sind. „Diese asbesthaltigen Abfälle sind über einen geordneten Rückbau separierbar“, sagt Kuhlmann. Die alte Ausgabe der LAGA M23 von 2015 sah hierfür entsprechende Rückbaumaßnahmen und eine getrennte Erfassung der asbesthaltigen Materialien vor. „Der Rest der mineralischen Abfallfraktion ist dann in der Regel ohne Probleme verwert- und in den Produktionskreislauf rückführbar“, sagt Kuhlmann.

LAGA-Mitteilungen

Die LAGA ist die Bund-Länderarbeitsgemeinschaft Abfall, eine Gruppe von Mitarbeitern aus den für Abfall zuständigen Landesministerien sowie des Bundesumweltministeriums. Mitteilungen wie die M23 haben keine unmittelbare Rechtswirkung, sie bindet weder Behörden noch Private. Über Erlasse können Landesregierungen ihre Anwendung den zuständigen Landesbehörden empfehlen oder vorschreiben. Da die Bundesländer in diesen Erlassen eigene Auslegungen vornehmen können, führt die „bundesweite“ Einführung i. d. R. zu einem föderalen Flickenteppich an Regelungen. Einige Bundesländer haben bereits erklärt, die M23 nicht umsetzen zu wollen. [1]

Unnötige Ausweitung

Doch die aktualisierte M23 geht einen Schritt weiter – und würde bei konsequenter Anwendung in der Folge viele für das Recycling im Prinzip geeignete Abfälle auf die Deponie lenken. Hintergrund ist, dass nicht mehr nur asbesthaltige Abfälle wie Spritzasbest und Asbestfaserzementerzeugnissen aus Rückbau- und Sanierungsmaßnahmen erfasst werden, sondern durch die Erweiterung auf Bauschutt auch Spachtelmassen, Farbanstriche und Abstandshalter für Betonbewehrungen. Diese Baustoffe können Asbest enthalten, wenn sie aus Bauwerken stammen, die vor Oktober 1993 errichtet worden sind – allerdings in deutlich geringeren Konzentrationen als beispielsweise bei den bekannten Asbestzementplatten.

Mehrstufiges Verfahren für Kategorisierung

Für Gebäude, die vor dem 31.10.1993 errichtet worden sind, sieht die neue Fassung der M23 daher ein mehrstufiges Verfahren vor, um die Asbestbelastung eines Gebäudes zu bestimmen – inklusive Erkundungspflicht vor Beginn der Baumaßnahme, Rückbaukonzept und DIN-genormter Probenahme von Haufwerken. „Das Verfahren ist für kleine, private Bau- und Renovierungsvorhaben sehr aufwändig. Fehlt aber der Nachweis der Asbestfreiheit, gilt der Bauschutt in solchen Fällen pauschal als geringfügig mit Asbest belastet“, zitiert Kuhlmann aus M23. Und das hat Folgen für die Kreislaufwirtschaft. „Nach M23 dürften wir diesen Bauschutt nicht mehr recyceln, das Material müsste deponiert werden“, so Justiziar Kuhlmann.


Schematische Darstellung des Rückbauprinzips der LAGA M23


Schematische Darstellung der Abfallkategorisierung der LAGA M23


Definiert die LAGA M23 einen neuen Abfall?

Das Abfallrecht kennt nur die Unterscheidung zwischen gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen. Manche Abfälle – die sogenannten „absolut gefährlichen – sind allein aufgrund ihrer Belastung mit einem Schadstoff gefährlich (z.B. „Dämmmaterial, das Asbest enthält“). Auf die Höhe der Schadstoffkonzentration kommt es bei diesen Abfällen nicht an. Bei anderen gefährlichen Abfällen – den sogenannten Spiegeleinträgen – muss Asbest im Rahmen der allgemeinen Gefährlichkeitsmerkmale berücksichtigt werden. Im Falle von asbesthaltigen Abfällen gilt ein Abfall nach der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) als gefährlich, wenn der Asbestgehalt bei mindestens 0,1 Masseprozent liegt. Ist er darunter, gilt der Abfall als nicht gefährlich und sollte daher möglichst hochwertig verwertet werden. Die – nicht rechtsverbindliche – LAGA M23 führt einen eigenen Bestimmungswert von 0,01 Masseprozent Asbest ein. Abfälle, die diesen Wert überschreiten, sollen als „geringfügig asbesthaltiger, nicht gefährlicher Abfall“ deklariert werden und nicht mehr recycelt werden dürfen.

Stoffstromverschiebung zur Deponie

Aus einer Stoffstromperspektive sind Abfälle aus der privaten Gebäuderenovierung von eher geringer Bedeutung. „Für die Kreislaufwirtschaft bedeutend wird die LAGA M23 vor allem im Bereich der Infrastruktursanierung“, sagt Kuhlmann. In Deutschland müssen nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums allein 8.000 Autobahnbrücken saniert werden – 4.000 davon innerhalb der nächsten zehn Jahre [2]. In einem Großteil dieser maroden Brücken werden die früher handelsüblichen, asbesthaltigen Abstandshalter im Stahlbeton verbaut sein.

Die Abtrennung dieser asbesthaltigen Kleinteile vom Rest des Bauabfalls ist derzeit technisch nicht im erforderlichen Umfang möglich. Geht es nach der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall, müsste der bei der Brückensanierung anfallende Bauschutt als geringfügig asbesthaltiger, nicht gefährlicher Abfall deklariert und ausgeschleust, das heißt deponiert werden. Viele Millionen Tonnen recyclingfähigen Betonabbruchs würden bei einer konsequenten Umsetzung der LAGA M23 damit unnötig auf Deponien gelangen.


Deponierung ohne Abfallschlüsselnummer?

Neben dieser drohenden Ressourcenverschwendung wird die Frage sein, welche Deponien diesen Abfall überhaupt annehmen sollen. Denn Genehmigungsbehörden teilen Betreibern von Abfallbehandlungsanlagen über Abfallschlüsselnummern mit, welche Abfälle sie ablagern dürfen. Die Liste der Abfallschlüsselnummern ist europaweit einheitlich über den Europäischen Abfallkatalog geregelt, der in Deutschland über die Abfallverzeichnisverordnung umgesetzt wird. „Einen nicht gefährlichen, aber ausdrücklich asbesthaltigen Abfall gibt es derzeit im europäischen und als auch im deutschen Abfallrecht nicht“, sagt Kuhlmann. Es ist folglich fraglich, ob z. B. ein Betreiber einer Deponie der Klasse I einen asbesthaltigen Abfall annimmt, selbst wenn dieser als nicht gefährlich gilt. Neben einer Verschwendung von Ressourcen und Deponiekapazitäten würde die Umsetzung der LAGA M23 die Rechtsunsicherheit bei allen Beteiligten deutlich erhöhen. Die Renovierung von altem Wohnungsbestand wird sicherlich teurer werden – genauso wie die Erneuerung der dringend sanierungsbedürftigen Infrastruktur in Deutschland.

Die aktualisierte LAGA M23 soll Asbestrisiken minimieren, schränkt aber das Recycling von Bauschutt unnötig ein. Dies führt zu mehr Deponierung, höheren Kosten und Ressourcenverschwendung – ein ausgewogeneres Vorgehen ist dringend geboten.

[1] Schmidt, Christoph: Umgang mit Asbestabfällen: Bayern setzt statt der LAGA M23 auf FAQ-Katalog, erschienen am 18.07.2024 in EUWID Recycling und Entsorgung, online unter: https://www.euwid-recycling.de/news/politik/umgang-mit-asbestabfaellen-bayern-setzt-statt-der-laga-m23-auf-faq-katalog-180724/ (zuletzt gesehen am 15.9.2025).
[2] Bundesministerium für Verkehr: FAQ zur Brückenmodernisierung, online unter: https://www.bmv.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/brueckenmodernisierung-faq.html (zuletzt gesehen am 15.9.2025).

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